Período especial

Die Serie „Período especial. Cuba Paintings" entstand nach einer Kubareise durch den Westteil der Insel im Jahr 2017. Der Titel bezieht sich auf die 1990 begonnene Wirtschaftskrise Kubas, die die kubanische Regierung als „Sonderperiode in Friedenszeiten" (spanisch: Período especial en tiempo de paz) bezeichnet. Ausgelöst wurde die Krise durch den Zerfall der Sowjetunion und der damit verbundenen Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, dem sozialistischen Pendant zum Marshallplan. Die Landwirtschaft brach zusammen, Nahrungsmittelknappheit war die Folge. Eine der Maßnahmen der kubanischen Regierung zur Verbesserung der Situation für die kubanische Bevölkerung war die Erschließung neuer Devisenquellen und somit die Öffnung des Landes für den Tourismus.

 

2017 ist die Entwicklung des Tourismus auf Kuba schon weit gediehen. Gelebter Kommunismus und touristischer Kapitalismus existieren nebeneinander, die Gegensätze sind überall spürbar und sichtbar. Die Werkreihe „Período especial. Cuba Paintings" verarbeitet persönliche Beobachtungen einer 1200 Kilometer langen Reise durch den Westen Kubas und hält diese in Form von Malerei, Zeichnung und Collagen fest.

 

Die Bilder beschreiben eine Zeit, in der das „alte" und das „neue" Kuba aufeinanderprallen: Mitten im Sumpf der Zapatahalbinsel können sich Touristen auf einer Krokodilfarm Fotos mit Babykrokodilen auf der Schulter fotografieren lassen und Krokodilburger essen, während nur wenige Meter entfernt wilde kubanische Krokodile in Freiheit leben. Am historisch bedeutenden Ausgangspunkt der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht trinken Touristen zu lateinamerikanischen Rhythmen Cuba Libre in einem Hotel auf einem ehemaligen Militärgelände an der Playa Girón. Am Varadero stehen Luxushotels, im Landesinneren spannen Bauern Kühe vor den Pflug und ernten Tabak mit der Hand. Auf leeren Autobahnen trifft man neben vereinzelten Oldtimern auf Pferdefuhrwerke und Ochsenkarren, am Straßenrand immer wieder Schilder mit Parolen der Revolution. Die Schriftzüge der amerikanischen Fast Food-Konzerne werden am Kiosk für kubanische Produkte umgewidmet.

 

Reisebilder und Reiseskizzen haben eine lange Tradition in der Kunstgeschichte – man denkt etwa an die durch Reisen nach Nordafrika inspirierten Bilder Paul Klees, aber auch an Beispiele zeitgenössischer Malerei wie die Indien-Bilder Eric Fischls. Tatjana Utz recherchierte unterwegs mit der Kamera und führte zahlreiche Gespräche mit Kubanern zu deren Lebenssituation und zur Geschichte der Insel. Wie häufig in ihren Werkreihen verknüpft sie Oral History und Ausdrucksformen der bildenden Kunst zu visuellen Erzählungen in einer mehrteiligen Serie. Es entsteht ein Kaleidoskop an Eindrücken, das die Geschichte einer Reise in Bildern erzählt und gleichzeitig politische Entwicklungen und gesellschaftliche Besonderheiten dokumentarisch festhält. Die Arbeiten können einzeln, in Blöcken oder als Gesamtinstallation gezeigt werden.

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